5. November 2025
Wenn zu Helene Fischer vor dem Altar getanzt wird und es Glückskekse in der Kirche gibt, kann das kein gewöhnlicher Gottesdienst sein. In der Bergheimer Martinskirche wurde am Wochenende nicht nur gebetet, sondern gelacht, getanzt, gesungen – und ganz offen über das Leben gesprochen. Die „ChurchNight“ ist längst mehr als ein Gottesdienst: Sie ist ein Abend voller Emotionen, Gemeinschaft und ehrlicher Geschichten – von Jugendlichen, für alle. Das diesjährige Motto „Wohin gehst du?“ zog sich wie ein roter Faden durch alle Beiträge, Lieder und Gespräche. Es soll Mut machen, über eigene Wege und Umwege nachzudenken, über Zweifel zu sprechen und darauf zu vertrauen, dass Gott in allen Lebensphasen mitgeht. Zum 16. Mal fand der Jugendgottesdienst in Bergheim statt – und er zeigte erneut, dass Kirche lebendig, kreativ und nah an Jugendlichen sein kann. „Kirche ist nicht nur etwas für ältere Menschen am Sonntagmorgen“, sagte die ehrenamtliche Mitorganisatorin Lia Zimmermann. „Hier ist die Gemeinschaft einfach toll – wir gestalten alles selbst, und jeder bringt sich mit ein.“ Lisa erzählte im Gottesdienst von ihrem großen Traum, Tänzerin zu werden. Sie hatte trainiert, geübt, gehofft – und zweimal scheiterte sie an der Aufnahmeprüfung. „Ich hab so sehr daran geglaubt, dass das mein Weg ist“, sagte sie leise. Heute arbeitet sie als Erzieherin. „Vielleicht war das gar kein Scheitern, sondern einfach eine Abzweigung.“ Ihre Offenheit berührte viele im Publikum – und passte perfekt zum Motto des Abends. Die Jugendlichen hatten den gesamten Abend, unterstützt von den hauptamtlichen Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern der Evangelischen Jugend Eder, selbst gestaltet: mit Geschichten, Theater, Tanz und Musik. Fast schon wie ein Musical geriet das Ganze zur Mischung aus Konzert, Bühne und Andacht. Eine eigene Band begleitete den Gottesdienst: Linda Röhner ließ ihr Saxophon erklingen, Mia Kellner spielte Cajon, Oliver Ahlswede saß am Klavier und Henry Hübschmann an der Gitarre. Zwischen den Andachten, die über den Abend in der Kirche gehalten wurden, erklang Zumba-Musik vor dem Altar und wer wollte, tanzte einfach mit. Draußen loderten die Flammen des Lagerfeuers, am Garagen-Kiosk gab es Suppe und Brezeln. Für die Jüngeren bot der Gemeinderaum Abwechslung durch Kreativ-werden: Die Kinder verzierten Gläser und bastelten aus alten Straßenkarten kleine Kunstwerke. Einer der ruhigsten Momente des Abends war eine Talkrunde zum Thema Tod und Sterben. In gedämpftem Licht saßen Hausärztin Christine Spratte, Kreisjugendpfarrerin Jelena Kaletta und Maximilian Feil, 20 Jahre alt und ehrenamtlicher Hospizbegleiter, vorne im Altarraum. Aufmerksam hörten die Besucher zu, als die drei offen über Trauer, Abschied und das Loslassen sprachen. Spratte berichtete aus ihrem Alltag als Ärztin und erzählte von Begegnungen mit Menschen in ihren letzten Lebensphasen – von Dankbarkeit, kleinen Gesten und stillen Momenten. „Es ist okay zu weinen, okay zu trauern“, sagte sie. „Man darf das zulassen, das gehört zum Leben dazu.“ Jelena Kaletta sprach über ihren Glauben, der ihr in solchen Situationen Halt gibt: „Der Glaube hilft, wenn Worte fehlen – er kann eine leise, aber tragende Kraft sein.“ Besonders eindrücklich war, was Maximilian Feil erzählte. Der junge Hospizbegleiter sprach ruhig und nachdenklich über seine Erfahrungen: „Ich begleite Menschen in ihren letzten Tagen – und lerne dabei immer wieder, wie kostbar jeder Augenblick ist.“ Seine Worte hallten nach, viele in der Kirche nickten still. Nach einer kurzen Traumreise, bei der sanftes Licht die Kirche erfüllte, wurde es noch einmal lebendig. Klatschen, Lachen, Bewegen – die Jugendlichen holten die Besucher mit neuer Energie zurück ins Hier und Jetzt. Dann erklang „From now on“ aus The Greatest Showman. Die Stimmen füllten das Kirchenschiff, manche klatschten im Takt, andere schlossen die Augen. Als der letzte Ton verstummte, wurde laut geklatscht und gelächelt – ungewöhnlich für einen Gottesdienst, aber richtig für diesen Abend.